Mitbestimmung an Hochschulen :
Ein Fest der Demokratie

Von Martin Schulze Wessel
Lesezeit: 2 Min.
Die Universität Breslau
Mit der Exzellenzinitiative hat sich das Leitbild einer top-down gemanagten Universität durchgesetzt – zum Nachteil der Institution. Wie es besser geht, zeigt die Rektorenwahl in Breslau.

Es steht nicht gut um die Demokratie an Universitäten in Deutschland. Das Thema Mitbestimmung erinnert hierzulande an dogmatisch geführte Schlachten der sechziger und siebziger Jahre um Drittel- und Viertelparität, an erledigte Konflikte einer weit entfernten Zeit. Mit der Exzellenzinitiative hat sich seit der Jahrhundertwende das Leitbild einer top-down gemanagten Universität durchgesetzt, deren Legitimation implizit darauf beruht, die Prinzipien der Exzellenz und der Partizipation gegeneinander auszuspielen.

Das ist ein Schaden für die Universität, denn nur Partizipation und Transparenz gewähren Schutz vor strukturellen Fehlentscheidungen, die von der Management-Universität gern unter den Teppich gekehrt werden.

Gerade Polen, dessen Demokratie und Rechtsstaatlichkeit auf nationaler Ebene Anlass zur Sorge geben, bietet ein Beispiel, wie demokratische Kultur an Hochschulen gepflegt werden kann. Die schlesische Universität Wrocław (Breslau), die seit vergangenem Jahr zu einer der zehn polnischen Exzellenzuniversitäten zählt, wählte Ende Mai einen neuen Rektor. Diese Wahl war, wie an allen polnischen Universitäten üblich, ein Fest der Demokratie: Es wurde ein Gremium von zweihundert Wahlleuten gebildet, die von den verschiedenen Gruppen der Universität durch Wahl bestimmt wurden: hundert Professorinnen und Professoren, fünfzig Postdoktoranden und Privatdozenten, vierzig Studenten und Doktoranden sowie zehn Verwaltungsmitarbeiter. Zur Wahl standen vier Kandidaten, deren Lebensläufe und Wahlprogramm auf der Homepage der Universität veröffentlicht wurden. Höhepunkt des Wahlkampfs war eine sehr sachlich geführte fünfstündige Podiumsdiskussion der vier Kandidaten, die live auf Youtube übertragen wurde und für alle Interessierten zugänglich war. Universitätsangehörige konnten Fragen stellen, die vorher schriftlich eingereicht wurden. Der Wahlakt selbst fand unter Beachtung der Corona-Schutzpflichten in der großen Sportarena Wrocławs statt, die ausreichend Platz für die distanzwahrende Stimmabgabe bot.

Auch an polnischen Universitäten spielt die Frage, wie die wissenschaftlichen Qualitätslabels in Konkurrenz mit anderen Hochschulen errungen oder gewahrt werden können, eine große Rolle, und auch hier übt der Exzellenzwettbewerb Druck zur Reformierung der Hochschulstrukturen aus. Doch geht der Wettbewerb um die Auszeichnung von Forschungsqualität nicht zu Lasten demokratischer Partizipation. In seiner Wahlkampfrede betonte einer der Kandidaten, der 46 Jahre alte Mediävist Przemysław Wiszewski, die Notwendigkeit zu Reformen und versprach zugleich, die Universität „für partizipatorische Aktivitäten zu öffnen“. Wiszewski setzte sich mit 104 Stimmen im ersten Wahlgang klar gegen seine Mitbewerber durch.

Der Autor ist Professor für osteuropäische Geschichte an der Ludwig-Maximilians- Universität München.